Für Rori

Knoten In Der Brust

Ein persönlicher Bericht mit Fragen, Antworten und wertvollen Tipps.

Brustkrebs. BÄHHM. Ungefähr 66.800 Frauen lässt diese Diagnose jedes Jahr aus den Wolken fallen. Reißt ihnen den Boden unter den Füßen. So schätzt aktuell das Robert Koch Institut Berlin die Zahl der neu an Mammakarzinom erkrankten Frauen in Deutschland. Und ich bin eine von ihnen.

Warum ich? Warum jetzt? Was habe ich falsch gemacht? Das fragen sich die meisten betroffenen Frauen.

Obwohl wir es inzwischen wissen – Mammakarzinom ist die häufigste Krebsart bei Frauen, jedoch nicht die gefährlichste – empfinden Betroffene diese schockierende Diagnose automatisch als lebensbedrohlich. TICK-TACK. Wie viel Zeit habe ich noch?

Neue Therapien neue Hoffnung

„Die Heilungschancen haben sich bei einer an Brustkrebs erkrankten Tochter im Vergleich zu ihrer Mutter verdoppelt“. So fasst Professorin Nadia Harbeck die rasanten Fortschritte der Brustkrebstherapie in den vergangenen Jahren zusammen. Harbeck leitet das Brustzentrum an der Frauenklinik in München.

In den allermeisten Fällen liegt die Chance auf Heilung bei Brustkrebs ohne Metastasen bei fast 90 Prozent (Quelle: Apotheken Umschau Oktober 2022).

Auch Frauen, bei denen der Brustkrebs bereits gestreut hat, macht Nadia Harbeck Hoffnung und Mut. Heutzutage können die biologischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors sehr präzise bestimmt werden.

Das wiederum ermöglicht ganz individuelle, komplexe und dauerhafte Therapien: Diese werden zum Beispiel bei metastasiertem oder genetischem Brustkrebs (triple-negative) erfolgreich eingesetzt. Die Erkrankung kann dann wie eine chronische behandelt werden. Gegen die viel befürchtete „triple-negative“-Brustkrebsform sind nach Angaben der Apotheken Umschau spezielle Medikamente und zielgerichtete Chemotherapie 2022 neu zugelassen.

Etwa jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Um so wichtiger ist es, über diese bösartige Erkrankung zu sensibilisieren. Ehrlich und empathisch. Und das zwölf Monate im Jahr. Nicht nur im Brustkrebsmonat, im pinken Oktober.

Brustkrebs ist kein Entertainment

Das Angebot an Formaten, die (Brust)Krebs enttabuisieren wollen, ist groß. Viele „Mit- und Mutmacher:innen“ profitieren und „polieren“ ihr Image auf diese Art.

Prominente lassen beispielsweise in TV-Formaten die Hüllen fallen, um ihren Kampf mit dem Krebs öffentlich zu machen. Andere wiederum kokettieren fast mit ihrer Erkrankung oder demonstrieren, wie gut es ihnen geht, trotz Brustkrebs. Mit neu gemachten Brüsten.

Solche Geschichten sehe und höre mir aus purer Neugier an. Schmunzele auch leicht dabei. Denn sie haben kaum mit der Realität etwas zu tun.

Chemotherapie, Immuntherapie, Strahlentherapie, Masektomie, Ovarektomie, Antikörper- und teilweise langfristige Antihormon-Therapie, Brustrekonstruktion. Kurz- und langfristige Nebenwirkungen davon wie Haarausfall, Übelkeit, Schwindel, Knochenschmerzen, Neuropathie, Gewichtsabnahme, Gewichtszunahme. In dieser oder in einer anderen Reihenfolge. Also, eine Brustkrebsbehandlung ist kein Zuckerschlecken. So viel dazu hier.

Brustkrebs ist auch kein Entertainment. Trotz neu modellierten Brüsten. Das kann bestimmt jede betroffene Frau, jede einzelne stille Kämpferin jenseits des Rampen-Lichts, bestätigen.

Nicht jede Brustkrebs-Kämpferin verfügt im wahren Leben über eine Entourage, die ihr im Nu eine mediale Präsenz sowie Vermarktung als Brustkrebspatientin ermöglicht. Brustkrebs ist keine PR-Strategie und auch kein Image-Polierer.

In der Realität reicht und hilft es oftmals Betroffenen, wenn sie ihre Erfahrung in einem persönlichen Tagebuch festhalten. Oder in einem Blog-Post über diese Herausforderung schreiben.

Für alle Brustkrebs-Kämpferinnen ohne Medien-Tamtam.

Aller Anfang ist schwer

In einer Routineuntersuchung zwei Monate nach der Entbindung meiner Tochter zeigte ich meiner Frauenärztin erneut den Knubbel in der Brust. Das anscheinend in der Schwangerschaft etwas ganz Normale. Nun ist dieses „etwas ganz Normale“ in den vergangenen neun Monaten ordentlich gewachsen.

Sie tastete ab, entschied sich doch für, wohlgemerkt, einen kostenfreien Ultraschall. Ich ahnte deswegen den Ernst der Lage. Sie zog die Augenbrauen zusammen, ich betrachtete ihren Gesichtsausdruck und versuchte davon abzulesen, was sie gerade sah. Die Frauenärztin, selbst Mama von drei Kindern, brabbelte irgendetwas von wegen „vielleicht ist da was, aber sehr wahrscheinlich nicht“.

Lieber checken lassen: Mammo. Biopsie. MRT. Knochenszintigraphie. Port- und Sentinellymphknoten-OP. Das sind die ersten Schritte, die fast jede Patientin mit dringendem Verdacht auf Brustkrebs anfangs (an)gehen muss. 

DING-DONG. Ich bin es tatsächlich. Dein Brustkrebs. Dein neuer Mitbewohner. Hereinspaziert, du ungebetener Gast. Es tut mir leid, du bleibst nur kurz bei mir. Und es ist gut so.

Brustkrebs ist ein Vollzeitjob

Also, Brustkrebs gehört definitiv zu den unangenehmsten Gästen. Die kommen auch immer, aber immer ungelegen. Auch zu mir. Mich hat er erwischt als ich gerade frisch Mama geworden bin. Baby-Freude, Baby-Alltag, Baby-Blues. Alles Fehlanzeige. Jetzt musste ich durch diese blöde Brustkrebsgeschichte durch. Ich hatte ja schon einen Fulltime-Job als Mama. Und jetzt noch einen dazu?

Hilfe. Wie soll das alles funktionieren? Wie geht das überhaupt aus? Was habe ich genau? Warum habe ich es? Wie werde ich es los?

In einem circa einstündigen Aufklärungsgespräch erklärte mir die Onkologin (mittlerweile für mich die beste), was ich genau für Brustkrebs habe und wie die Therapie aussehen sollte. Mit meinem schreienden Baby auf dem Arm versuchte ich trotzdem wach und konzentriert zu bleiben. Meistens nickte ich beim Monolog dabei, manchmal hinterfragte ich, manchmal schüttelte ich einfach den Kopf. Verstand ich das, was sie sagt? In meinem Kopf – nur Brei.

Ich machte mich auf den Weg nach Hause mit gefühlt tausend Rezepten – gegen allerlei Magen-Darm-Beschwerden, für Pillen vor und nach der Chemo, für mein neues Haupthaar, für meinen Krankenfahrdienst. Sacken lassen. Im Kinderwagen weinte das Baby. Meine Seele auch.

Es ist Brustkrebs

Es ist Brustkrebs. Trotzdem:

DON’T PANIC

Rori

Diesen kleinen, aber so wichtigen Tipp gab mir damals eine liebe Freundin, die vor einigen Jahren das Gleiche durchgemacht hat.

Sie kam freiwillig zu Untersuchungen mit, „übersetzte“ mir nachher das, was die Ärzt:innen im Brustzentrum in ihrer Fachsprache erzählten. Sie schaukelte meine neugeborene Tochter in den Schlaf bei der Biopsie-Entnahme. Oder wartete auf mich draußen vor der Tür als ich in der MRT lag.

So ein Glück, dass ich diese tolle Freundin an meiner Seite hatte.

DON’T PANIC: Du bist nicht allein. Jede achte Frau hierzulande erkrankt irgendwann an Brustkrebs. Es ist eine Krebsart mit sehr guten Heilungs- sowie Überlebenschancen.

Sorge für dich so, wie du es persönlich für richtig hältst

Hilfe bei Selbsthilfegruppen, Krebsberatungsstellen, Brustkrebs-Community suchen, psycho-onkologische Betreuung beanspruchen, Familie oder Freunde einweihen. Das hilft dir bei der ersten Stressbewältigung. Vielleicht. Das war jedoch nicht mein Ding. Es ist nun mal eine Typ-Frage, welche Hilfe du sinnvoll findest, suchst und annimmst.

Solltest du in einer ähnlichen Situation sein: Tu das, was du persönlich für richtig hältst und dir gut tut. Denn nur du weißt am besten, was für dich gut ist. Also, erzählte ich anfangs ganz wenigen Leuten von meiner Krankheit, um zusätzlichen Stress zu vermeiden. Denn all die Fragen, die auf mich prasseln könnten, hätte ich zu der Zeit nicht beantworten können und wollen.

Bei dieser Erkrankung, wie bei jeder anderen Krise, geht es darum, sich auf Menschen verlassen und ihnen vertrauen zu können. Egal, ob das Ärzt:innen, Familie, Freunde, Bekannte sind. Oder andere Betroffene: Das gemeinsame Schicksal verbindet häufig viele Frauen, die zusammen in einem „Boot“ sitzen. So meine Beobachtungen. Manchmal entsteht sogar eine Freundschaft fürs Leben in den unbeliebten Chemotherapie-Räumen.

Bin ich ohne Haare und Brüste immer noch ich

Zu gut erinnere ich mich an eine tolle Aktion kurz vor Weihnachten: Eine ehemalige Patientin schenkte selbstgenähte Mützen allen Frauen, die ihre Gabe in der onkologischen Praxis gerade bekamen. So eine warme, weiche Mütze. Durchaus eine coole Alternative zur Perücke. Denn unter dem falschen Haar dampfte mein Kopf, wahrscheinlich unter der Wirkung der Zytostatika, auch im Winter.

Haarverlust bei Chemo. Das ist wahrscheinlich der größte Schreck und Schock, neben der Brustamputation, für fast jede Krebspatientin. Es ist ein Thema wie ein Fass ohne Boden.

Auch beruflich hatte ich mit diesem Thema einige Zeit zu tun und kann es nur bestätigen: Krebspatientinnen leiden sehr darunter. So befürchten wir, dass wir ohne Haare, Wimpern und Augenbrauen nicht feminin und schön genug sind. Nicht mehr sich selbst. Ein Irrtum, das mir selbst Sorgen bereitete. Genauso wie der Gedanke, dass meine Glatze die Krankheit ganz offiziell und öffentlich gemacht hätte. Das wollte ich auf jeden Fall verhindern.

So ließ ich mir eine Echthaarperücke zurecht schneiden, färben und anpassen. Ich habe in diese haarige Angelegenheit über tausend Euro investiert. Das war mir (erst mal) wert. Ein Zuschuss von der Krankenkasse gab es auch. Ich trug die teure Perücke tapfer sogar nachts und betrachtete das als einen Teil der Therapie.

Wenn ich heute an damals denke, komme ich mir ziemlich dämlich vor. Nach vier Monaten konnte ich meine falschen Haare nicht mehr sehen. Dazu machten sie viel Arbeit: Neben der üblichen Haarpflege musste ich sie fast täglich mit speziellen Klebestreifen fixieren und justieren. Ziemlich aufwendig. Ganz ehrlich: Irgendwann waren die Haare mein kleinstes Problem.

Außer Echthaar- oder Kunsthaarperücken helfen schicke Mützen, Cappies, Schals, Stirnbänder & Co., den nackten Kopf geschickt zu kaschieren. Und denk dran: Es ist nur eine Phase, die schnell vorbei ist.

Das Leben ohne Brust

Weißt du eigentlich, dass es auch ein Leben mit Narben und ohne Implantate geben kann? Die „going flat“-Bewegung setzt sich für oben ohne nach Brustamputation ein. Die italienische Sängerin Gianna Nannini gehört dazu und unterstützt diese Initiative.

Oben „flach“ bleiben. Dafür entscheiden sich viele Frauen auch bewusst, nachdem sie keine schöne Erfahrung mit Brustimplantaten gemacht haben. Oder sie sind überzeugt, es geht ihnen ohne Implantate besser.

Silke Jäger schreibt dazu: „Über unterschiedliche Methoden des Brustaufbaus und der Prothesenversorgung werden die Frauen offenbar gut informiert, aber darüber, dass es auch ohne Rekonstruktion gehen könnte, nicht“.

An dieser Stelle sage ich: So wie du bist, bist du ok. Namaste.

Nachdem ich den ersten Schock einigermaßen verdaut habe und mich im Alltag so lala als Fulltime-Mama und Vollzeit-Brustkrebspatientin zurecht fand, fing ich langsam an, nach Antworten und Lösungen zu suchen.

Welche genau das sind und wie sie mir geholfen haben, erzähle ich dir hier.

Quellen & nützliche Links:

Apotheken Umschau/1. Oktober 2022 A

www.krebsinformationsdienst.de

https://www.krebshilfe.de/informieren/ueber-krebs/krebsarten/brustkrebs/

https://www.piqd.de/gesundheit/narben-statt-implantate-going-flat-nach-brustkrebs

https://www.emotion.de/schoenes-neues/lifestyle-mode/brustkrebsmonat-oktober-ueber-vorsorge-und-wie-du-helfen-kannst

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