Weihnachtskugel mit Glitzer

Zwischen den Jahren mitten in Corona

Spätestens zwischen den Jahren sind die meisten von uns an dem Punkt angekommen, an dem wir an ungefähr 360 Tage im Schnelldurchlauf zurückdenken: an das, was uns geärgert und beleidigt oder das, was uns gefreut hat, an das, worauf wir persönlich oder beruflich stolz sind, an das, was unausgesprochen oder ungetan blieb.

Und jetzt – irgendwo zwischen den letzen fünf Tagen des alten und den ersten fünf des neuen Jahres – ist Countdown für die diesjährige Bilanz, für offene Fragen und für sakrale Wünsche. Jeder für sich selbst. Im stillen Kämmerchen. Oder laut und öffentlich. So wie jeder mag.

Christbaum
2020: Ein ganz besonderes Weihnachten im Schatten von Corona

Hohoho Adieu

Vor ein paar Tagen haben wir zum Beispiel Weihnachten 2020 verabschiedet. Privat, auch öffentlich höre ich oftmals, diese Weihnachten sei besonders: besonders ruhig oder besonders anstrengend, nicht besonders weihnachtlich, einfach besonders anders. Kein Wunder. Schließlich leben wir im besonderen Corona-Jahr. COVID-19 und die Corona-Krise haben es geschafft, weltweit alle und alles in irgendeiner Weise zu treffen. 2021 haben wir einiges zu verarbeiten.

Für mich ist Weihnachten 2020 nicht besonders weihnachtlich gewesen, aber das hat nichts mit Corona zu tun. Es fehlten mir zumindest ein paar Schneeflocken. Schneeweiße Hauben auf Ampeln und Fahrrädern draußen auf der Straße im dämmernden Winterlicht. Weiße Weihnachten, wie in meiner Heimatstadt – etwa  2.000 Kilommeter von „hier“ und mehr als 20 Jahre von „jetzt“ entfernt -, das vermisse ich. Ansonsten geht es meiner Familie gut. Das ist gut zu wissen, auch wenn sie nicht zusammen mit mir feiern dürfen.  

Außerdem ist die Vorfreude die beste Freude überhaupt. Das trifft auch auf das Weihnachtsfest zu. Spätestens der Geburtstag meines Neffen Ende November und der Duft der allerersten Plätzchen um diese Zeit läuten die Vorfreude auf die bevorstehenden Festtage feierlich und offiziell bei mir ein.

Entschleunigung zwischen den Jahren

Roll-out für wahrscheinlich das wichtigste Projekt des Jahres: „Besinnung“. Auf meinem Schreibtisch kleben noch mehrere To-do-Listen. Diese Tatsache macht mich unglaublich nervös. Wie und wann arbeite ich sie bloß ab bevor ich mich meinem wichtigtsten Projekt annehmen kann?

Plätzchen backen, Kinderzimmerdeko basteln, Geschenke besorgen, Weihnachtsmenü abstimmen, Weihnachtsgrüße lesen und schreiben, analog und digital; Großeinkauf, Geschenke einpacken, für Harmonie zuhause sorgen. Das sind einige der Aufgaben, die mich mental und physisch belasten. Bei all diesem Ballast habe ich allerdings zwischen den Zeilen unsichtbar dick markiert: innehalten, Abstand nehmen, nachdenken, entschleunigen, entleeren, achtsam sein, herunterfahren, genießen. Endlich durchatmen.

Zwischendurch gelingt das mir auch. Ab und zu nicht. Wie denn auch? Corona hat uns reichlich beschert. Vieles muss neu gedacht und nachjustiert werden. Das beschäftigt mich.

Gewinner und Verlierer der Corona-Krise

Wie in jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer: Plötzlich produziert eine Gin-Brauerei flüssiges Gold. Es ist rar gewordenes Desinfektionsmittel von der Region für die Region. Ein anderes regionales Unternehmen stellt anstelle von Pasta-Verpackungen circa 1.000 Masken (Mund-Nasen-Schutz) pro Minute her. Das motiviert das Personal und sichert dem Unternehmen die Existenz. Zwei Beispiele von vielen.

Auf der anderen Seite des Wellenbrechers jedoch die Verlierer. Zum Beispiel unsere Kinder. Drei Monate im harten und zwei im leichten Lockdown verzichten sie auf altersgemäße Frühbildung in KiTas und Schulen, feiern keine Geburtstage mehr zusammen oder erst monatelang später nach.

Kids verlernen sozialrelevante Kompetenzen wie Teilen, zum Beispiel. Kein Brot und Wasser teilen. Kein Lieblings-Kuscheltier darf in die KiTa mit, obwohl montags Kuscheltiertag ist. Vor Corona, versteht sich. Kein Turnen, Schwimmen, Singen, Ballett, Fußball, Taekwondo. Für mich ist das ganz klar eine Verlierer-Generation, die Corona-Generation.

Aktivitäten und Geschäfte online boomen dagegen. Eine Welt „goes online“. Alles, was wir jetzt brauchen, um dabei zu sein, sind ein Computer mit Kamera und Mikro daheim. So kaufen wir ein, lernen Sprachen, machen Yoga, nehmen an Meetings oder Team-Events teil. So arbeiten und leben wir.

Neuschöpfungen

Neben Home-Office, Home-Kita und Home-Schooling als monatelanges, nervenzerreißendes Ereignis gehört auch die durch Corona beeinflusste Entwicklung der Sprache zu den bedeutsamen Stories dieses Jahres.

Unzählige Neologismen begleiten uns im Alltag seit Anfang des Jahres. Die Krone für Wort des Jahres geht 2020 an „Corona-Pandemie“, so die Gesellschaft für deutsche Sprache. Wörter wie Corona-Krise, Re-gnose, Lockdown, Shutdown, Re-entry, Wellenbrecher, Triage, Inzidenzzahl, exponentiell, Lockerungen, Corona-Bonus, Corona-Hilfen zählen zu den rund 1.000 neuen Wortschöpfungen. Die Wiesbadener Gesellschaft hält diese in einer Corona-Serie seit Freitag, 13. März 2020, fest. Darunter auch Ausdrücke wie „Bleiben Sie gesund“, „Bleiben Sie schön negativ“, „Mit Abstand die besten Gäste“.

Metamorphose

Das Corona-Jahr mit all seinen Herausforderungen muss erstmal verdaut werden. Danach los lassen. Groß denken, denn „Metamorphose“ lautet das 2021-Ziel für mein Sternzeichen im Jahreshoroskop laut eines Frauen-Magazins.

Sicherlich hat jeder von uns seine (Corona)-Herausforderung, privat oder beruflich, oder beides, zu meistern. Aber am Ende des Tunnels ist Licht. Corona ist irgendwann Geschichte. Spannend ist, was wir daraus lernen, unsere Fragen und Wünsche, die uns weiterhin beschäftigen und nach vorne bringen.

Wünsche mir

Persönlich wünsche ich mir ein ziemlich langweiliges neues Jahr. Langeweile bedeutet, dass meine Welt in Ordnung ist. Pragmatisch betrachtet, wünsche ich mir allen voran Gesundheit, einen Regelbetrieb der KiTas, zwei bis drei Stunden Freizeit wöchentlich für Sport, leckeres von meinem Mann wie im Lockdown zubereitetes Essen sowie etwas Ruhe, dies noch warm zu genießen. In diesem Sinne:

Möge 2021

gesünder,

weniger herausfordernd,

lockerer, offener und freier sein.

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