Puddingteilchen

Kulturschock in Köln

Menschen, die für längere Zeit ihre Heimat verlassen, kennen ihn – den Kulturschock. Aber was ist ein Kulturschock? Meine Recherche dazu ergab: Wenn Menschen mit einer fremden Kultur zusammentreffen, fallen sie in einen schockartigen Gefühlszustand. Andere Quellen bezeichnen den Kulturschock als eine länger andauernde Phase oder ein Phänomen. Laut Wissenschaftler durchlaufen Menschen während des Kulturschocks vier Phasen: „Honeymoon“-Phase, Krise, Erholung und Anpassung.

Kulturschock ist wie eine Krankheit

Der Kulturschock ist wie eine Krankheit: Als Symptome gelten etwa Einsamkeit, Melancholie, Schlaflosigkeit, Depressionen, Wut, Aggression sowie Identitätskrise bis Identitätsverlust.

Wie überstehen das Betroffene? Das kann ich nicht sagen. Aber zwei Sachen weiß ich: Erstens, dass auch ich darunter litt. Zweitens, dass je zügiger Auswanderer die ersten drei Phasen hinter sich bringen, desto schneller genesen sie.

Erste Phase des Kulturschocks

In Deutschland, in Köln, angekommen, begann auch meine süße, dennoch kurzweilige „Honeymoon“-Zeit als Au-pair. In dieser Phase ist alles, was neu ist, auch aufregend, schön und irgendwie besser als zuhause.

An einem warmen September-Abend holte mich meine Gastfamilie in der Nähe des Hauptbahnhofs ab. Das war die erste Gelegenheit den stolzen Dom für einen Augenblick zu bewundern. Ja, den Dom fand ich faszinierend. Das war mir irgendwie vorher schon klar. Es war mir aber nicht klar, dass ich mich in einen Hauptbahnhof verlieben kann.

Deutsche Großstadt-Hauptbahnhöfe (das Gebäude) haben etwas Lebendiges, Dynamisches, Warmes und Helles an sich, finde ich. Ich kann bis heute nicht vergessen, wie mein Gesicht im Licht des Hauptbahnhofs badete. Dieses Licht gab mir das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, obwohl ich in einem fremden Land angekommen war. Tja, wo in Bulgarien finden sich schon solche Hauptbahnhöfe?

Zucker und Salz gegen den Schock

Hell war es. Es duftete auch lecker. Salzige und süße Backware lachte mich aus auffällig sauberen Thresen und Büdchen an. Das waren zum Beispiel Brezeln, Berliner, Wuppies, Windbeutel, Plundertaschen, Maultaschen, Oliven- oder Laugenstangen. Wie sie alle hießen lernte ich später. Auch zum Trinken gab es reichlich. Aber das, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

Mein zweites „Honeymoon“-Erlebnis hatte ich unmittelbar an demselben Abend: Das war die Großstadt selbst. Köln bei Nacht lag mir zu Füßen. Es war wir ein Spätsommer-Nachttraum.

Köln bei Nacht
Köln bei Nacht. Ein Sommer-Nachttraum.

Sturz in die Krise

Die Ernüchterung, die mich jedoch schnell in die Phase der Krise stürzen würde, folgte bereits am ersten Abend: Ich wohnte weit weg von der Innenstadt. Die neue Familie, das neue Zuhause, das Kind (um das ich mich wie um eine kleine Schwester kümmern sollte und wollte), die Katze, das Bad und mein Zimmer – all das war irgendwie anders als ich es mir vorgestellt habe. Ich war enttäuscht. Verdammt! Ich hatte noch 364 Tage vor mir.

Pfannkuchen und Brötchen zum Frühstück

Der Kulturschock hat mich schnell eingeholt. Kreativ und fleißig wie ich bin, überraschte ich meine Gastfamilie am ersten Wochenende mit leckeren Pfannkuchen zum Frühstück. Abgesprochen habe ich es mit ihnen allerdings nicht. Das war ein Fehler. Denn frische Sonntagsbrötchen gehören zum ultimativen Frühstück der Deutschen. Keine Pfannkuchen. Sie waren enttäuscht, ich ebenfalls.

verschiedene Brötchen

Brötchen sind nicht gleich Brötchen

Sie heißen Schippen in Berlin, Krossen in Bremen, Rundstücke in Hamburg. Übrigens heißen die Berliner in Berlin Pfannkuchen. Die Pfannkuchen nennen die Hauptstädter wiederum Eierkuchen.

Spitzkohl und Musaka schmecken nicht

Ich wollte meine kulinarischen Fähigkeiten doch beweisen und zumindest das Kind auf den Geschmack der traditionellen bulgarischen Küche bringen. Gesünder als Pizza, Pommes und Ravioli ist sie allemal. Ich habe dann Spitzkohl mit Schweinefleisch und Musaka gekocht. Dem Kind schmeckte es nicht. Das Mädchen gab ein entsetztes „Bääähhhhh“ vor sich hin als ich ihr das komische, unbekannte Gericht auftischte. Diese Reaktion war eindeutig. Meiner kleinen Schwester daheim hätte das garantiert geschmeckt. Mir und dem Kind zuliebe habe ich nach dem Versuch aufgehört, bulgarische Spezialitäten zu kochen. Exotische Speisen der bulgarischen Küche sind schließlich nicht jedermanns Sache. Geschmackssache.

Spitzkohl mit Kartoffeln und Schweinefleisch

Spitzkohl schmeckt nicht. Schmeckt doch.

Inzwischen 20 Jahre Wahlheimat. Ich koche wieder Spitzkohl. Allerdings in leicht eingedeutschter Version: mit Kartoffeln. Partner und Kind schmeckt es doch.

aktualisiert 2019

Genesung

Ich bin inzwischen 16 Jahre in Deutschland. Heute koche ich selber kaum Spitzkohl mit Schweinefleisch. Frische Sonntagsbrötchen mag ich über alles. Ich bin pünktlich, mag die Ordnung, die Sauberkeit, die Gesetze und die Vorschriften, die ich anfangs für übertrieben hielt.

Trotzdem könnt Ihr immer bei mir auf einen leckeren Kaffee und ein Stück Kuchen vorbeischauen. Aber bitte nicht spontan. Jedenfalls freue ich mich auf Euren Besuch.

Quellen:

https://www.wissen.de/problem-kulturschock

https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturschock

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